Hohe Berge – mühsamer Aufstieg!
Gipfel werden meist von unten bestiegen, aber es gibt Ausnahmen, die bei Bergsteigern allerdings nicht gern gesehen sind und zu Recht auch nicht als Gipfelbesteigung gewertet werden können. Dazu zählen auf jeden Fall Gipfelankünfte per Hubschrauber, bei denen die mühsam aufsteigenden Bergsteiger/innen überholt und nur mitleidig betrachtet werden. Auf die hohen Berge des E-Government führen viele schwere und steinige Wege. Die Kommunen gehen diese jeden Tag und kümmern sich im Tagesgeschäft um die Anliegen ihrer Bürger/innen. Sie sind die klassischen Bergsteiger – im Gegensatz zu den Ministerien, die gern per Hubschrauber einfliegen und den keuchenden Bergsteigern zurufen, wie sie schneller den Berg erklimmen können. Um auf Dauer Spitzenleistungen zu erbringen und die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen, kann der Perspektivwechsel für das Spitzenpersonal auf dem IT-Gipfel einiges bringen. Am besten funktioniert er aber, wenn man den mühsamen Weg selbst geht oder zumindest auf jemand hört, der den Weg täglich zu Fuß geht.
Um gute Ergebnisse zu erzielen, müssen daher die Erkenntnisse der Kommunen aus dem Tagesgeschäft dringend in den IT-Gipfel einbezogen werden. Zur Unterstützung der Gipfelteilnehmer/innen habe ich deshalb eine kurze „Kommunale Checkliste zum IT-Gipfel“ erstellt, die – wie ein guter Wanderschuh – den Aufstieg auf den Berg des E-Government erleichtern soll:
Die Kommunalen Wanderschuhe – eine 10-Punkte-Checkliste zum IT-Gipfel
- Weniger Papiere – mehr Taten!
Über alles und jedes wird auch in Zeiten der elektronischen Verwaltung viel und gern geschrieben. Wenn die Kommunen tatsächlich alle existierenden Gesetze, Verordnungen, Erlasse, DIN-Normen, Hinweise, Durchführungsvorschriften immer genauestens lesen und anwenden würden, statt mit gesundem Menschenverstand praxisnah zu agieren, dann stünden sehr lange Warteschlangen vor unseren Rathäusern. Daher müssen die existierenden Vorschriften gründlich ausgemistet und auf ein durchführbares Verwaltungshandeln im elektronischen Zeitalter ausgerichtet werden. Wir dürfen auch nicht erwarten, dass die Bürger/innen für gerade einmal einen Verwaltungskontakt im Jahr hohe Hürden für den Zugang zu Verwaltungsleistungen akzeptieren. Das neue E-Government-Gesetz kann der erste Schritt sein, um die Hürden gering zu halten. Es muss aber auf seine Praktikabilität in der Praxis gründlich überprüft werden, damit nicht mehr Arbeit bei geringer Effizienz und wenig Akzeptanz die Folge sind.
2. Gute Ideen müssen finanziert werden!
Jeder Hausbau muss grundsolide finanziert werden. Dass der Häuslebauer dabei genügend Eigenkapital mitbringt, darauf achtet die Hausbank. Ebenso muss jede Vorschrift von Bund und Ländern gründlich durchdacht und finanziert sein. Dabei sollte allen Gipfelteilnehmern von vornherein klar sein, dass Wünsche nach mehr E-Government nicht – wie bisher – nur abstrakt formuliert, sondern auch gleich mit der notwendigen Finanzierung hinterlegt sein müssen. Die Argumentation „Fangt schon mal an, ihr spart irgendwann“, die von Bund und Ländern immer gern mit Blick auf die Kommunen gewählt wird, ist weder seriös noch dazu geeignet, sich zu Lasten der Bürger/innen in Schulden zu stürzen.
3. Kommunen mehr vertrauen!
Eine erste Chance für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen wurde im IT-Planungsrat leider nicht genutzt. Hier müssen die Kommunen – ebenso wie Bund und Länder – mindestens ein Vetorecht haben, um auf Augenhöhe mit den Ministerien über die Entscheidungen verhandeln zu können. Die derzeitige Situation, dass die Kommunen nur ein Teilnahmerecht mit beratender Stimme haben, ist nicht befriedigend und gehört dringend geändert. Von wenig Vertrauen in die kommunale Seite ist es auch die Tatsache geprägt, dass die Kommunen bisher keinen Zugriff auf das Informationssystem des IT-Planungsrates bekommen haben. Wenn wir im Bereich E-Government vorankommen wollen, muss diese Geheimniskrämerei aufhören.
Leider hat auch der IT-Gipfel im Vorfeld bei der Besetzung der Arbeitsgruppe 3: „Innovative IT-Angebote des Staates“ gerade mal nur einen kommunalen Vertreter einer Großstadt einbezogen. Die Vielfalt in den deutschen Kommunalverwaltungen wird dadurch nicht annähernd abgebildet. Zumindest eine Vertreterin / ein Vertreter aus dem Bereich der kreisangehörigen Städte und Gemeinden würde dieser Arbeitsgruppe gut tun, um auch praxisnahen Sachverstand aus diesem Bereich einzubeziehen. Die anderen Arbeitsgruppen arbeiten anscheinend ganz gern ohne Kommunen. Zumindest bei der Arbeitsgruppe „Bildung und Forschung für die digitale Zukunft“ sollten die Kommunen, die als Schulträger den gesamten sächlichen Aufwand tragen, mit einbezogen werden. Ein wichtiges Ergebnis des IT-Gipfels sollte daher sein, den Kommunen mehr zu vertrauen und zuzutrauen.
4. Wichtige Schritte wagen!
Ein erster mutiger Schritt wäre es, wenn der IT-Gipfel dazu führte, dass mit dem neuen Personalausweis die gesamte Kommunikation der Bürger mit Verwaltungen und Unternehmen rechtssicher erfolgen kann. Der neue Personalausweis muss dazu in seiner Funktionalität jegliche weiteren Registrierungserfordernisse auf allen Einkaufs- und Verwaltungsportalen vollständig ersetzen. Erst wenn die Bürger die Möglichkeit haben, den neuen Personalausweis täglich bei allen Rechtsgeschäften einzusetzen, wird die Akzeptanz für die Nutzung des E-Government steigen. Danach sollte die Signatur per Handy ein weiterer Schritt sein. Ein weiteres wichtiges Projekt wird die elektronische Akte sein, die Einzug in die Verwaltung halten sollte.
5. Breitband statt Schneckentempo!
Deutschland muss in Europa führend beim Breitbandausbau mit Anschlüssen über 50-MBit/s auch außerhalb von Ballungszentren werden um alle Potenziale für das Wirtschaftswachstum in den Großstädten und auf dem Land auszuschöpfen. Alle Wertschöpfungsketten hängen mittlerweile von der Breitbandinfrastruktur eines Staates ab. Dabei darf es keine erste Klasse für Bürger/innen und Unternehmen in der Großstadt und eine zweite Klasse für Bürger/innen und Unternehmen auf dem Land geben. Jeder Bürger, jeder Betrieb, jede Verwaltung braucht heutzutage verlässliche Hochgeschwindigkeitsverbindungen. Daher erwarten die Kommunen vom IT-Gipfel weitere wichtige Schritte auf dem Weg zum Hochgeschwindigkeitsbreitband für Alle!
6. Wirksame Werkzeuge schaffen!
Das neue Melderecht bietet eine Chance, auch über ein einheitliches Werkzeug für die Kommunen nachzudenken – zumindest aber über einheitliche Anforderungen an die auf dem Markt befindlichen Werkzeuge (Fachverfahren) -, um möglichst schnell auch gute Ergebnisse zu erzielen. Eine Notwendigkeit für ein neues Werkzeug oder eine Strategie für mehr Wettbewerb bietet der Bereich des Standesamtswesens. Seit Jahresbeginn besteht hier ein Monopol, da es nur noch einen Anbieter bundesweit für alle Standesämter gibt. Hierdurch ist eine nicht hinzunehmende Abhängigkeit der Städte und Gemeinden und mittelbar auch des Bundes und der Länder entstanden. Letztlich muss der Steuerzahler den vom Monopolisten geforderten Preis für die Nutzung dieser Software bezahlen, damit die Kommunen noch gesetzeskonform arbeiten können. Der Bund und die Länder müssen dringend handeln. Ein erstes Signal sollte von diesem IT-Gipfel ausgehen.
7. Soziale Medien nutzen!
Die sozialen Medien ermöglichen es den Kommunen, noch enger an den Anliegen ihrer Bürgerinnen und Bürger dran zu sein und wirksam und effizient zu arbeiten. Der Bedarf ist sowohl auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger, als auch auf Seiten der Kommunen sehr hoch. Allein die Präsenz der Kommunen bei Facebook liegt schon bei etwa 20 Prozent bundesweit, und sie steigt auf kurze Sicht weiter stark an. Um erste wirksame Unterstützung für die Kommunen zu leisten, hat der Städte- und Gemeindebund aktuell die Arbeitshilfe „Städte und Gemeinden in sozialen Netzwerken“ herausgegeben. Dennoch verbleiben einige Rechtsunsicherheiten die zügig beseitigt werden müssen, damit die Kommunen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern noch besser zusammenarbeiten können. Der IT-Gipfel sollte daher eine Task-Force-Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Kommunen für die Nutzung sozialer Netzwerke in Deutschland einsetzen, um schnell zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen.
8. Wir brauchen eine staatliche Cloud!
Rechtssicher Dokumente ablegen und archivieren zu können, muss einfach und sicher möglich sein. Sicherlich gibt es schon Angebote für sichere Cloud-Archivierung. Dennoch ist das Vertrauen der Bürger/innen und Bürger, aber auch der Verwaltungen in die Anbieter nicht so hoch, dass wirklich schützenswerte Dokumente in naher Zukunft dort verwahrt werden. Hier muss der Staat für seine eigenen Dokumente, aber auch für besonders schützenswerte Dokumente seiner Bürger/innen die entsprechende Infrastruktur schaffen. Nur eine staatliche Aufsicht kann bei diesem Thema Sicherheit und Verlässlichkeit garantieren.
9. Open Data muss finanzierbar bleiben!
So schön es sich anhört, dass alle öffentlichen Daten für jedermann öffentlich zugänglich und nutzbar sein sollen. Die natürlichen Grenzen von Open Data werden durch die öffentlichen Finanzen und den Datenschutz gesetzt. Es wäre falsch unter dem Druck von Wahlen Erwartungen zu wecken die nicht erfüllbar sind. Daher erwarten wir vom IT-Gipfel eine klare Aussage die den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland genau erklärt welche Regelungen für Open Data künftig gelten sollen.
10. Nicht verzetteln!
Noch eine Bitte zum Schluss: nicht jedes Projekt muss künstlich am Leben erhalten werden. Es gehört auch Mut dazu sich auf wenige – dafür aber wirksame Projekte zu konzentrieren. Allzu oft werden Runden zum E-Government gern dazu genutzt, um Projekte zu schaffen, denen mit staatlicher Hilfe mühsam Leben eingehaucht wird. Daher sollten alle staatlichen IT-Projekte auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit überprüft werden. Danach muss eine Konzentration auf die tatsächlich notwendigsten Projekte erfolgen. Klare Vorgaben, klare Verantwortlichkeiten, klare Finanzierungsaussagen und den Sachverstand vor Ort einzubeziehen dürften diesem IT-Gipfel auch von Seiten der Kommunen die notwendige Akzeptanz bringen.
Wir erwarten vom Spitzenpersonal auf diesem Gipfel auch Spitzenleistungen. Geeignete Wanderschuhe für die Gipfelbesteigung haben wir geliefert.
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