Schlagwörter

, , , , ,


Wie Großstädte bürgernäher und Innenstädte menschlicher werden können!

Von Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und Geschäftsführer des Zukunftsprojektes Gemeinde 5.0*

Viele kleine und mittlere Städte und Gemeinden bieten einen schnellen, kompletten und bürgernahen Service. Dies gelingt Großstädten eher selten. Sollten wir nicht versuchen die großen Betriebsgrößen wieder zu verkleinern, damit diese Städte bürgernäher agieren können?

Trends kehren sich um – Neue Zeiten erfordern neue Ansätze!

Jahrelang gab es nur einen Trend: in die Großstädte, dort wo Arbeitsplätze, kurze Wege, beste medizinische Versorgung, reichhaltige Kulturangebote, ein leistungsfähiger ÖPNV und viel Abwechslung geboten werden. Begünstigt wird dieser Trend durch üppige Zuschläge im Finanzausgleich (die jetzt geltende Staffelung der Gemeindegrößenansätze reicht zum Beispiel in Niedersachsen von 100 v.H bis 180 v.H. dies bedeutet: je größer die Stadt umso mehr Geld gibt es je Einwohner:in und dass obwohl die Großstädte eigentlich effektiver arbeiten müssten). Dazu gibt es den Drang vieler Reformer:innen zu großen Einheiten. Je größer umso effektiver, war jahrelang das Credo. Ob es stimmt wurde nach den Fusionen nur selten richtig geprüft. Warum auch? Wer will sich schon eine falsche Entscheidung bescheinigen? Einige Fusionen wurden sogar damit begründet dass es mehr Geld je Einwohner:in gibt, da man in der Größenstaffel beim Finanzausgleich „aufsteigt“. Nicht die größere Effektivität, die bessere Bürgernähe oder die Leistung einer Kommune werden belohnt, sondern nur die die schlichte Größe.

Groß statt Klein – ein Irrweg!

Das diese Rechnung nicht aufgeht erkennt man leicht daran dass Großstädte ungleich mehr Budget je Einwohner:in verbrauchen. Auch zeigen die Wartschlangen in den ach so bürgerfreundlichen Bürgerämtern einiger Großstädte dass es mit der Effektivität beim Bürgerservice nicht weit her ist. So braucht die Landeshauptstadt Hannover zum Beispiel derzeit 2 Monate für die Ausstellung eines Reisepasses. Die Stadt Meppen schafft dies in 3 Wochen.  Zudem engagieren sich die Bürger:innen in kleinen Einheiten viel lieber als in Großstädten. Die Mieten sind zu hoch, die Innenstädte marode und haben die Zukunft häufig schon hinter sich. Aber wie so häufig werden Fehler in der Planung nicht eingestanden und schon gar nicht rückgängig gemacht. Dennoch ein „Weiter so“ kann und darf es nach Corona nicht geben!

Ein mutiger Modellversuch: aus Groß wird Klein!

Nun was ist zu tun? Geben wir doch den Großstädten wieder Luft zu atmen, den Bürger.innen mehr Freiheit, den kleinen und mittleren Kommunen mehr Rechte und Geld. Versuchen wir statt immer größer lieber menschlicher und kleiner zu denken. Geben wir unseren Bürger.innen wieder die Chance ihre Städte und Gemeinden neu zu erfinden und sie aktiv zu gestalten. Corona erfordert neues Denken und Handeln! Wir dürfen – nein wir müssen mutig sein und nicht nur denken, sondern mindestens einen Modellversuch wagen eine Großstadt zu verkleinern. Aus einer Stadt mit 100.000 Einwohnerinnen lassen sich leicht 2-3 neue Einheiten mit echter kommunaler Selbstverwaltung schaffen.  Genauso wie Fusionen belohnt wurden muss es möglich sein hier Mittel für einen Modellversuch zu finden. Aber zunächst muss das Ziel genau bestimmt werden. Fusionen nur um der Fusion willen waren grober Unsinn, der sich auch nicht ausgezahlt hat. Genauso kann es umgekehrt sein, aber die Chance kleiner, bürgernäher, menschlicher und überschaubarer zu werden birgt so viele Chancen die mit den Bürger:innen erarbeitet werden sollten.

Zukunft bedarf neuer Konzepte!

Lassen wir unsere Bürger:innen, unsere Student:innen, unsere Kinder mit Planern, Händlern, Gastronomen und Kulturschaffenden den Versuch wagen mal eine Großstadt zu verkleinern und diese menschlicher und zukunftsfähiger machen. Zugleich sollten wir einer mittleren Stadt und einer kleinen Stadt/Gemeinde ermöglich mit „Grossstadtrechten“ agieren zu können. Nach Abschluss des Modellversuches (zwei bis drei Jahre, mehr darf es nicht brauchen), erfolgt eine Bewertung durch die Bürger:innen. Wir können viel mit einem solchen Versuch gewinnen.

*www.zukunftniedersachsen.de